Lehrergesundheit: Achtsamkeit im Schulalltag
Achtsamkeit ist eine Möglichkeit, dem oft stressigen Schulalltag zu begegnen.
An dieser Stelle möchten wir einen kleinen Blick auf das große Thema „Achtsamkeit“ werfen und für Sie einige Ansätze vorstellen, die Ihnen erste Ansatzpunkte liefern, bewusster durchs Lehrerleben zu gehen.
Das erfahren Sie in diesem Beitrag
Stress – ein leider viel zu häufiger Begleiter im Lehrerberuf
Der Lehrerberuf ist abwechslungsreich und vielseitig. Was in den meisten Fällen absolut positiv ist, kann an manchen Tagen aber auch wie ein Euphemismus dafür klingen, dass von allen Seiten gleichzeitig die verschiedensten Anforderungen auf Sie einprasseln.
Stress ist da vorprogrammiert. Wird der Stress aber zum täglichen Begleiter, kann er sich negativ auf die Gesundheit auswirken. Natürlich gehen Menschen unterschiedlich mit Stress um und reagieren auch unterschiedlich darauf.
Sind stressige Tage aber eher die Regel als die Ausnahme, können Erschöpfung, Verspannungen, ein erhöhter Blutdruck, Magen-Darm-Probleme und psychische Folgen bis hin zum Burnout mögliche Auswirkungen sein.
Mit Maßnahmen, den Stress möglichst gering zu halten, wie einem guten Zeitmanagement und einem Ausgleich zum Schulalltag, z. B. in Form von Sport oder Freizeitaktivitäten, können Sie wirksam gegensteuern. Achtsamkeit ist ein weiteres Mittel, bzw. vielmehr eine Einstellung, wie man einem potenziell stressigen Berufsalltag begegnen kann.
Dass das Thema „Achtsamkeit“ bereits bei Lehrerinnen und Lehrern angekommen ist, zeigen Ratgeber und Fortbildungen dazu, die sich speziell an Lehrkräfte wenden.
Literaturtipps:
- Daniel Rechtschaffen: Die achtsame Schule. Achtsamkeit als Weg zu mehr Wohlbefinden für Lehrer und Schüler, Arbor Verlag, 2016.
- Heidemarie Brosche / Jeanett Kasten: Mehr Gelassenheit und Achtsamkeit im Schulalltag. So können wir es packen, Cornelsen Scriptor, 2015.
- Vera Kaltwasser: Persönlichkeit und Präsenz. Achtsamkeit im Lehrerberuf, Beltz Verlag, 2. Aufl. 2018.
Was ist Achtsamkeit eigentlich?
Eine allgemeingültige Definition von Achtsamkeit ist schwierig.
Auf das Wesentlichste reduziert bedeutet Achtsamkeit, den jeweiligen Moment, in dem man sich befindet, bewusst zu erleben ohne ihn zu bewerten. Gerade Letzteres fällt uns oft sehr schwer.
Wir sollen uns also keine Gedanken über die Vergangenheit und die Zukunft machen, sondern mit allen Sinnen, Gefühlen und Gedanken in der Gegenwart bleiben und diese wahrnehmen. Das Gegebene soll als gegeben angenommen werden. Dazu zählen auch negative Situationen und Gefühle.
Mehr Gelassenheit, ein besseres Verständnis für uns selbst und dass wir besser auf uns achten, indem wir erfahren, was uns guttut und was nicht, sind die gewünschten Effekte.
Wichtig dafür ist auch, die eigenen Erwartungen an sich und andere zu reduzieren.
Der Ursprung des Konzepts der Achtsamkeit wird im Buddhismus verortet. Dort sind Achtsamkeit und Meditation eng miteinander verknüpft. Aber auch ohne den religiösen Bezug ist eine achtsame Haltung möglich.
Jon Kabat-Zinn entwickelte schon in den 1970er-Jahren das medizinische Achtsamkeitstraining MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction). Meditation, Atem- und Yoga-Übungen sollen dabei helfen, eine achtsame Haltung einzunehmen. Die Wirkung von MBSR ist inzwischen auch durch wissenschaftliche Studien gut erforscht.
Wie Psychiater und Psychotherapeut Michael Huppertz Planet Wissen gegenüber sagt, können aber auch schon kleinere Alltagsübungen zu einer achtsameren Haltung beitragen.
Zu einigen dieser kleinen Achtsamkeitsübungen möchten wir hier anregen.
Achtsamkeitsübungen für den Schulalltag
1. Ein ruhiger Start
Normalerweise geht es nach Ankunft in der Schule gleich los mit den verschiedensten Erledigungen. Versuchen Sie zur Abwechslung einen ruhigen Start in den Schultag:
Kommen Sie ein bisschen früher in die Schule. Holen Sie sich eine Tasse Kaffee oder Tee an Ihren Platz und gönnen sich 5 bis 10 Minuten nur für sich. Atmen Sie zunächst einige Male tief ein und aus und kommen langsam zur Ruhe. Nehmen Sie dann Ihr Getränk und versuchen ganz bewusst den Geschmack wahrzunehmen, so als würden Sie es zum ersten Mal trinken. Überlegen Sie dann, auf welche Dinge Sie sich heute freuen, auch wenn es nur Kleinigkeiten, wie das Gespräch mit der Lieblingskollegin in der Mittagspause sind. Nun können Sie entspannt und positiv gestimmt in den Tag starten :)
2. Gespräche achtsam führen
Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen finden oft zwischen Tür und Angel statt, da es jeder eilig hat. Mit den Gedanken ist man meist schon in der nächsten Unterrichtsstunde oder sorgt sich, dass die Zeit zum Kopieren der Arbeitsblätter nun nicht mehr reicht. Man selbst ist gestresst und das Gegenüber hat – vermutlich zurecht – den Eindruck, dass man unaufmerksam ist.
Um das zu vermeiden, gibt es zwei Möglichkeiten:
- Sie haben in diesem Moment für das Gespräch keine Zeit und sagen das Ihrem Gesprächspartner freundlich. Verabreden Sie sich stattdessen für einen späteren Zeitpunkt.
- Sie führen das Gespräch achtsam und konzentrieren sich komplett auf die Unterhaltung. Hören Sie zu, was Ihr Gegenüber sagt ohne schon über eine Antwort nachzudenken. Stellen Sie ggf. Nachfragen, wenn noch etwas unklar ist. Reagieren Sie nicht reflexartig, sondern nehmen Sie sich Zeit, Ihre Haltung zu dem Gesagten wahrzunehmen, bevor Sie antworten.
Achtsam geführte Gespräche zeigen Ihrem Gegenüber Ihre Wertschätzung, helfen Ihnen empathisch zu reagieren und tragen zu einem guten Arbeitsklima bei.
3. Multitasking-Pausen
Lehrerinnen und Lehrer sind gekonnte „Multitasker“: Einen Tafelanschrieb machen, gleichzeitig ein Unterrichtsgespräch anleiten und verhindern, dass der Geräuschpegel in der Klasse zu groß wird ist nichts Besonderes.
Versuchen Sie zur Abwechslung mal für eine Unterrichtsstunde (oder für den Anfang erst mal eine Pause lang) immer nur eine Aufgabe nach der anderen zu erledigen. D. h., wenn Sie ein Unterrichtsgespräch moderieren, moderieren Sie ein Unterrichtsgespräch, wenn Sie etwas an die Tafel schreiben, schreiben Sie etwas an die Tafel und wenn Sie Leonie und Anna klarmachen, dass jetzt nicht die Zeit ist, um die Wochenendplanung auszudiskutieren, machen Sie nur das.
4. Aufgaben besser auf Papier als im Kopf organisieren
Kennen Sie das: Denken Sie an eine Aufgabe, fällt Ihnen gleich die nächste ein und Sie wissen nicht, wo Sie anfangen sollen und wo Ihnen der Kopf steht. Solche Tage bringen ein immenses Stresspotenzial mit sich.
- Ein erster Schritt ist dann, das Chaos im Kopf zu organisieren. Am besten klappt das, indem Sie alle Aufgaben, die Ihnen einfallen, aufschreiben. Nun haben Sie die Aufgaben im wörtlichen Sinn „aus dem Kopf“.
- Jetzt priorisieren Sie die Aufgaben in einer To-do-Liste: Das Wichtigste und Dringendste steht ganz oben, alle weiteren Aufgaben folgen entsprechend.
- Jetzt können Sie eine Aufgabe nach der anderen abarbeiten, indem Sie sich immer nur auf das gerade Anstehende konzentrieren.
5. Einen neuen Blick auf Ihre Klasse werfen
Die Sicht auf eine Klasse, die man bereits länger unterrichtet, ist von den bisherigen Erfahrungen geprägt und Routinen haben sich eingespielt.
Um Veränderungen im Klassengefüge wahrzunehmen, ist es deshalb nicht schlecht, immer wieder einen gedanklichen Neustart zu machen: Betreten Sie die Klasse, als würden Sie dies zum ersten Mal tun und nehmen Sie das Verhalten der Schüler bewusst und offen war. Was fällt Ihnen auf? Versuchen Sie es nicht gleich zu bewerten. Nach der Stunde können Sie überlegen, ob sich aus den Beobachtungen evtl. Ideen für Veränderungen ergeben, die Verbesserungen versprechen.
6. Kleine Körper-Achtsamkeitsübungen in den Unterricht integrieren
Achtsamkeit ist nicht nur etwas für Erwachsene! Um Ihre Schüler einzubinden, können Sie kleine Körper-Achtsamkeitsübungen in den Unterricht einbauen, wenn Sie merken, dass die Schüler eine Pause brauchen oder um Ihnen vor Klassenarbeiten Ruhe zu vermitteln.
In dem Buch "Achtsamkeitstraining für Kinder" von Norbert Fessler und Michaela Knoll finden Sie viele für Kinder geeignete Übungen.
Ein Beispiel: Die Kinder sollen zunächst jeden Finger nacheinander mehrmals mit der anderen Hand leicht drücken und sich auf das, was sie spüren konzentrieren. Danach massieren sie mit Daumen die Handfläche der anderen Hand mit kreisenden Bewegungen.
Sie profitieren natürlich auch von den Übungen und den entspannten Schülern :)
7. Gehmeditation auf dem Schulflur
Im Laufe eines Schultags legen Sie etliche Meter auf den Fluren Ihrer Schule zurück. Diese Strecken können Sie nutzen, um kurze Gehmeditationen in Ihren Alltag zu integrieren, um auf dem Weg in eine neue Klasse abzuschalten und sich zu entspannen. Kleine Voraussetzung: Sie sollten flache, möglichst bequeme Schuhe anhaben.
Müssen Sie den Klassenraum wechseln oder ins Lehrerzimmer, legen Sie den Weg achtsam zurück, d.h. Sie konzentrieren sich ganz auf Ihre Atmung und das Gehen. Damit es auch in der trubeligen Schule klappt, üben Sie am besten bei Spaziergängen in ruhiger Umgebung.
Atmen Sie gleichmäßig ein und aus. Gehen Sie z. B. bei jedem Einatmen zwei oder drei Schritte und ebenso beim Ausatmen. Spüren Sie, wie sich Ihr Fuß über Ferse, Mittelfuß, Fußballen und Zehen abrollt. Wenn Ihnen danach ist, lächeln Sie dabei.
Weitere Übungen zum Herunterkommen im stressigen Schulalltag finden Sie im Buch „Cool down. Entspannungs- und Konzentrationsübungen im Schulalltag“ von Doris Stöhr-Mäschl.
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