Bilingualer Unterricht: Vorteile und Herausforderungen
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An immer mehr Schulen diskutieren Schüler Themen, wie z. B. das Immunsystem, die Klimazonen der Erde oder die alten Ägypter, in einer Fremdsprache. Hier erfahren Sie mehr über die bilingualen Unterricht, seine Vorteile und Herausforderungen.
Bilingualer Fachunterricht – oder internationaler: Content and Language Integrated Learning (CLIL) – wird heute v. a. an Gymnasien angeboten, Real- und Gesamtschulen sowie einige Grund- und Berufsschulen ziehen inzwischen nach.
Als Unterrichtssprache ist Englisch dabei die unangefochtene Nummer 1, gefolgt von Französisch. Manche Schulen bieten jedoch – auch abhängig von an die Region angrenzende Länder – bilingualen Unterricht, z.B. in Dänisch, Niederländisch, Italienisch, Spanisch oder Russisch, an.
Geschichte des bilingualen Unterrichts in Deutschland:
1969 etablierten erste Schulen einen bilinguale Züge. Den Anstoß gab die deutsch-französische Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg: Die Schüler sollten mit Sprache und Kultur des Nachbarlandes vertraut werden. Arbeitssprache in Geographie und Geschichte war deshalb Französisch.
Englisch gewann in diesem Kontext erst im Lauf der 1980er und v.a. 1990er Jahre an Bedeutung und dominiert das Angebot seitdem. 1999 gab es 366 Schulen mit bilingualem Angebot, 2013 waren es bereits über 1500.
Das ist zum einen der Verankerung des bilingualen Unterrichts in der Lehrerausbildung und andererseits dem Abbau administrativer Hürden zu verdanken: Schulen haben heute in vielen Bundesländern die Möglichkeit, selbst über Arbeitssprache, Fächer und Konzept zu entscheiden.
Bilingualer Unterricht – was ist das eigentlich?
Der bilinguale Unterricht erfolgt in ausgewählten, nichtsprachlichen Fächern überwiegend oder komplett in der Fremdsprache durch den Fachlehrer.
Eingesetzt werden Lehrerinnen und Lehrer, die zudem die jeweilige Fremdsprache unterrichten oder über eine nachgewiesene hohe Kompetenz in der Sprache (i.d.R. C1) verfügen bzw. Muttersprachler sind.
Inzwischen können Lehramtsanwärterinnen und -anwärter in beiden Phasen der Ausbildung Qualifikationen für den bilingualen Unterricht erwerben.
Im bilingualen Unterricht stehen die curricular vorgegebenen Inhalte des Fachs im Vordergrund, die Fremdsprache wird durch die praktische Anwendung trainiert.
Zusätzlich wird immer wieder die Perspektive des Landes der Unterrichtssprache einbezogen, wodurch die Schüler auch mit interkulturellen, mehrperspektivischen Sichtweisen vertraut werden.
Abgesehen von diesen länderspezifischen Beispielen und Schwerpunkten entsprechen die Kenntnisse und Fertigkeiten, die im Fach erworben werden, denen des deutschsprachigen Unterrichts.
Auch für die Leistungsbewertung gilt: Die sachfachlichen Leistungen stehen im Vordergrund. Ein Wechsel zurück in den deutschsprachigen Unterricht und auch ein Schulwechsel sind so in der Regel problemlos möglich.
Der größte Unterschied besteht im gewählten Konzept: Ein Teil der Schulen bietet bilinguale Züge an, in denen die Schüler dauerhaft in der Zweitsprache unterrichtet werden. Andere setzen auf zeitlich begrenzte zweisprachige Module. Vorteil dieser Variante ist, dass engagierte Fachlehrer die Module und Projekte in den Unterricht einschieben, ohne das gesamte Schulkonzept darauf abstimmen zu müssen.
In bilingualen Zügen werden die Schüler meist durch eine schrittweise Steigerung des fremdsprachlichen Unterrichts in Klasse 5 und 6 langsam auf den bilingualen Fachunterricht vorbereitet, der meist ab Klasse 7 in einem oder mehreren Fächern beginnt. Andere Konzepte sehen den Start bereits ab der fünften Klasse vor.
Da der bilinguale Unterricht durchaus eine zeitliche Mehrbelastung durch zusätzliche Stunden in Englisch und dem „Bili-Fach“ mit sich bringt, sollten die Schüler Motivation zur Teilnahme, Konzentrationsfähigkeit und natürlich Spaß an der neuen Sprache und am Kommunizieren mitbringen.
Viele Schulen beachten zudem die Einschätzung der Schüler durch die Grundschullehrerinnen und -lehrer sowie die Noten.
Besonders geeignet sind Fächer mit zahlreichen anschaulichen Elementen wie Geographie und Biologie oder Fächer, in denen sich Gespräche ganz natürlich ergeben, wie im Sportunterricht. Auch Geschichte ist als bilingual unterrichtetes Fach sehr beliebt, da sich hier die Einbeziehung von Quellen in der Originalsprache wunderbar anbietet.
Bilingualer Unterricht – ein Erfolgsmodell?
Folgt man den Ergebnissen mehrerer Studien, ist der bilinguale Unterricht durchaus ein Erfolgsmodell: An der 2003/2004 durch das Deutsche Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) deutschlandweit durchgeführten DESI-Studie (Deutsch-Englisch-Schülerleistungen-International) nahmen auch Neuntklässler aus 38 Schulen teil, die ab der siebten Klasse in einem oder mehreren Fächern bilingual auf Englisch und Deutsch unterrichtet wurden.
Zusammenfassend beschreibt der Direktor des DIPF, Prof. Dr. Eckhard Klieme, die Auswirkung der zusätzlichen Lerngelegenheiten auf die Englischleistung und dabei besonders auf die kommunikative Kompetenz als besonders positiv.
Zum Ende der neunten Klasse konnte ein Vorsprung im Hörverständnis von etwa zwei Jahren gegenüber nicht bilingual unterrichteten Schülern festgestellt werden. Zudem fiel es den Schülern leichter, grammatikalische Fehler zu entdecken und zu verbessern.
2019 veröffentlichte die Universität Eichstätt erste Ergebnisse eines Modellprojekts mit 21 beteiligten Schulen in Bayern. Studienautor Prof. Heiner Böttger nennt bilingualen Unterricht "ein eindeutiges kognitives Plus" für die Schülerinnen und Schüler. Die bilingual unterrichteten Kinder erzielten im Vergleich zu einsprachig beschulten Kindern in Tests weit bessere Ergebnisse in der Zweitsprache und gleich gute bzw, deutlich bessere Ergebnisse auch in Deutsch und Mathematik.
Wer nun allerdings denkt, bilingualer Unterricht sei eine Wunderwaffe mit der Schüler leicht zu Sprachgenies mutieren, sollte neben den Vorteilen auch einen Blick auf die Herausforderungen des Modells werfen:
Vorteile des bilingualen Unterrichts
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Förderung der Sprechpraxis:
Während im Englischunterricht vieles theoretisch behandelt und überwiegend über konstruierte Situationen gesprochen wird, ist die Fremdsprache im bilingualen Fachunterricht die Arbeitssprache.
Die Schüler lernen, ihre Sprachkenntnisse in Gesprächen über authentische Sachinhalte anzuwenden und trainieren, festigen und bauen ihre Sprechpraxis dadurch immer weiter aus. -
Abbau von Sprechhemmungen:
Das Sprechen in der Fremdsprache ist so schnell Routine und das Selbstvertrauen in die eigenen Sprachkenntnisse wächst. Die Schüler nutzen die fremde Sprache als echtes Kommunikationsmittel und realisieren dabei, dass sie diese schon sinnvoll anwenden können, auch wenn sich dann und wann vielleicht noch Fehler einschleichen – das motiviert :)
Müssen die Schüler während Reisen oder später in Studium und Beruf auf die Sprache zurückgreifen, fällt das „Bili-Schülern“ in der Regel nicht schwer. -
Umgang mit Fachausdrücken und anspruchsvollen Texten:
Wer sich bereits in der Schule mit englischen Originaltexten zum amerikanischen Unabhängigkeitskrieg auseinandersetzt, Fachthemen diskutiert, Klimadiagramme, Bilder oder Karikaturen in der Fremdsprache beschreibt und sich fremdsprachliche, naturwissenschaftliche Fachausdrücke selbstständig herleiten kann, kann mit den erarbeiteten Lern- und Arbeitstechniken auch nach der Schule punkten.
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Vorbereitung auf Studium und Beruf:
Fremdsprachenkenntnisse, besonders fließend gesprochenes Englisch, sind heute eine Voraussetzung für viele Studiengänge und Berufszweige. „Bili-Schüler“ haben durch die eben bereits genannten Punkte der zusätzlichen Sprechpraxis, der Aneignung von Strategien zur Erschließung unbekannter Vokabeln und dem Umgang mit akademischen Fachausdrücken gegenüber ihren Mitschülern einen deutlichen Vorsprung.
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Neue Blickwinkel:
Durch die Beschäftigung mit Texten und Beispielen aus dem Land der im Unterricht gesprochenen Sprache lernen die Schüler weitere Aspekte und Sichtweisen kennen. Dieser mehrperspektivische Zugang zu Unterrichtsthemen stärkt die interkulturelle Kompetenz der Schüler.
Bilingualer Unterricht kann sich positiv auf die Integration von Flüchtlingskindern mit Englischkenntnissen auswirken. Durch den anschaulichen und sprachsensiblen Unterricht können sie leichter folgen und Erfolge erzielen. Außerdem sind deutsche und ausländische Schüler hier in derselben Situation: Sie nutzen eine Fremdsprache, um sich die Unterrichtsthemen zu erarbeiten. Das verbindet und erleichtert den Kindern das Ankommen und Einleben – auch im deutschsprachigen Unterricht.
Herausforderungen des bilingualen Unterrichts
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Materialmangel:
Die Zahl der speziell für den bilingualen Unterricht entworfenen Schulbücher und Materialien nimmt zwar stetig zu, für manche Themen und Fächer findet sich allerdings noch immer zu wenig.
Viele behelfen sich deshalb mit Originalmaterial aus dem Land der gewählten Sprache.Der Nachteil besteht jedoch häufig in einer mangelnden Anschaulichkeit, die für die Erfassung des Themas überaus wichtig ist.
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Zeitaufwand:
Vor allem zu Beginn muss mehr Zeit für die Unterrichtsvorbereitung investiert werden. Das liegt zum einen an der häufig etwas zeitaufwändigeren Suche nach passenden Materialien, zum anderen ist eine noch stärkere Strukturierung des Unterrichts erforderlich.
Um den Unterricht möglichst anschaulich zu gestalten, müssen zudem mehr Folien, Präsentationen und Tafelbilder vorbereitet werden. -
Überforderung vorbeugen:
Achten Sie darauf, dass Sie Ihre Schüler fordern, jedoch nicht überfordern. Für die Klärung von Fachbegriffen und methodischen Aspekten muss genügend Zeit eingeplant werden.
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Konzentriertes Arbeiten:
Auch für die Schüler gilt es, Herausforderungen zu meistern: Um dem Unterricht gut folgen zu können, müssen sie konzentrierter arbeiten als im normalsprachlichen Unterricht. Der Vorteil ist eine weitaus ruhigere Lernatmosphäre, die eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsstoff ermöglicht. Ein anschaulicher Unterricht trägt dabei nicht nur zum besseren Verständnis bei, sondern hält auch das Interesse der Schüler hoch.
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Unterricht für Begabte:
Schulen empfehlen meist nur leistungsstarken Schülern die Teilnahme an einem bilingualen Zug, da sprachlich weniger begabte Schüler mit der Mehrbelastung häufig zu kämpfen haben. Es wird deshalb immer wieder kritisch angemerkt, dass hier eine Schülerelite gefördert wird.
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Fachliches Niveau:
Immer wieder begegnet die kritische Frage, ob das Niveau des Sachfachs unter dem fremdsprachlichen Unterricht leide. Die Befürchtung wird jedoch weder durch Studienergebnisse noch durch konkrete Erfahrungen von Schülern und Lehrerinnen bzw. Lehrern mit bilingualem Zug bestätigt.
Im Gegenteil: Laut Bericht der KMK „Konzepte für den bilingualen Unterricht Erfahrungsbericht und Vorschläge zur Weiterentwicklung“ sei das Lernen durch die ruhigere, konzentriertere Arbeitsatmosphäre und die didaktisch-methodische Konzeption des Unterrichts sogar nachhaltiger und die Kenntnisse über die vermittelten Themen tiefergehend.
Und das Wichtigste zum Schluss: Fragt man die Schüler nach ihrer Meinung zum bilingualen Unterricht, hört man überwiegend positive Rückmeldungen :)
Häufig gestellte Fragen
Was ist bilingualer Unterricht?
Im bilingualen Unterricht ist eine Fremdsprache, meist Englisch, Arbeitssprache in Fächern wie Geschichte, Erdkunde oder Biologie. Dadurch sollen die bilingualen, also zweisprachigen, Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler verbessert werden.
Welche Vorteile bringt zweisprachiger Unterricht?
- Bessere Sprachkompetenz in der Fremdsprache
- Förderung der Sprechpraxis
- Abbau von Sprechhemmungen
- Umgang mit komplexen fremdsprachlichen Texten lernen
- Vorbereitung auf Studium und Beruf
Welche Konzepte von bilingualem Unterricht gibt es?
- Bilingualer Züge: Unterricht komplett in der Zweitsprache
- Bilinguale Module: zeitlich begrenzte Einheiten in der Zweitsprache
- Bilinguale Profilklassen: Im Unterricht wird in der Erst- und der Zweitsprache gesprochen.
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