Alternatives Unterrichtskonzept: Flipped Classroom
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Das Flipped oder auch Inverted Classroom wird auch bei uns immer bekannter.
Zunächst entdeckten es v. a. Universitäten und Hochschulen für sich, inzwischen heißt es aber auch an einigen Schulen: „Wir machen umgedrehten Unterricht“.Was das nun genau bedeutet und ein "Flipped Classroom" funktioniert, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Was ist "Flipped Classroom"?
Beim "Flipped Classroom" sind die Lernorte vertauscht: Der eigentliche Unterricht findet mithilfe digitaler Medien nicht im Klassenzimmer, sondern zuhause statt – oder im Prinzip überall dort, wo es die nötige Technik erlaubt.
Lehrerinnen und Lehrer stellen dafür Lernvideos (seltener Audiodateien oder schriftliche Materialien) zur Verfügung, in denen der Unterrichtsstoff erläutert wird. Auf dieser Grundlage erarbeiten sich die Schülerinnen und Schüler die neuen Inhalte selbstständig.
So vorbereitet wird das Gelernte in der Schule wiederum durch Übungen gefestigt (aus Hausaufgaben werden also Schulaufgaben) und die Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeit, im Beisein der Lehrenden das Thema zu vertiefen, offen gebliebene Fragen zu stellen, Probleme zu diskutieren und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.
Kurz gesagt: Der Input wird ausgelagert; geübt und vertieft wird in der Schule.
Noch kommt das „Flipped Classroom“ eher selten zum Einsatz. Das liegt zum einen daran, dass der Bekanntheitsgrad noch nicht wahnsinnig hoch ist, zum anderen dürfte Viele der Arbeitsaufwand abschrecken oder sie wissen nicht, wie sie das Konzept technisch und didaktisch sinnvoll in den Unterricht integrieren können.
Lernvideos erstellen
Zunächst benötigen Sie geeignete Lernvideos. Auf YouTube finden Sie zahlreiche u.a. auch von Lehrkräften erstellte Lernvideos zu verschiedenen Themen. Im Beitrag "YouTube Lernvideosfür den eigenen Unterricht nutzen" erhalten Sie Tipps und Beispiele für gute Lernvideo-Kanäle. Sie sind nicht immer perfekt passgenau, eignen sich aber wunderbar, um zu testen, ob Ihnen das Konzept „Flipped Classroom“ zusagt.
In diesem Fall sind selbsterstellte Videos die ideale Lösung.
Fällt die Entscheidung, eigene Videos zu drehen:
- Seien Sie nicht zu perfektionistisch!
- Die Tonqualität sollte gut sein. Ein Headset von akzeptabler Qualität oder ein USB-Mikrofon erfüllen diesen Zweck bei Screencast-Videos.
- Kurz und auf den Punkt, statt epische Abhandlungen! Länger als 5 bis 10 Minuten, höchstens 15 Minuten, sollten die Videos nicht sein, sonst besteht die Gefahr, dass die Schüler die Motivation verlieren und das Gerät oder den Kopf abschalten.
- Halten Sie die Schülerinnen und Schüler durch kleine Begleitaufgaben aufmerksam, die Sie ihnen z. B. als Arbeitsblätter mitgeben können: Beobachtungs-, Recherche- und Denkaufgaben, ein Lerntagebuch oder ein Quiz zwischendurch, verhindern, dass die Videos abgelenkt, unreflektiert oder nebenbei gesehen werden. Wer selbst zeichnen und schreiben muss, ist aktiv bei der Sache.
Ohne hier in die Tiefe gehen zu können (hier können wir die Seite „Flip your class“ empfehlen, die viele Tutorials zur Erstellung von Lernvideos bereithält), hier zwei der möglichen Ansätze für Lernvideos:
- Richten Sie Kamera oder Smartphone auf die Arbeitsfläche (auf Schatten achten)
- Zeichnen, schreiben und kommentieren Sie direkt.
Vielleicht arbeiten Sie lieber gleich auf dem Computer und erstellen ein Screencast-Video, d.h. ihre Arbeitsschritte am Computer werden aufgezeichnet und Ihre Stimme aus dem Off erklärt, was zu sehen ist. Dafür gibt es kostenfreie (z. B. CamStudio, Screencast-O-Matic) oder kostenpflichte Software (z. B. Camtasia Studio). Das Ganze kann dann auf YouTube, Vimeo.com (hier können Sie Ihre Videos mit einem Passwort schützen) oder einer Lernplattform hochgeladen werden, die z. B. auf der Schulhomepage oder auf Moodle eingerichtet werden kann.
Auf dem digitalen Bildungskongress 2020 gab Lehrer Markus Fingerle viele Praxistipps, wie er Lernvideos vor dem Greenscreen erstellt:
Zuhause neuen Lernstoff kennenlernen und erarbeiten
Das Problem, dass die Videos nicht oder nur oberflächlich geschaut werden, ist bei Schülerinnen und Schülern natürlich gegeben. Wenn es nicht hilft, ihnen zu verdeutlichen, dass sie ohne die Vorarbeit praktisch nicht am Unterricht teilnehmen können, müssen die üblichen Konsequenzen gezogen werden, wie Sie sie z. B. auch bei vergessenen Hausaufgaben anwenden würden.
Bevor es losgeht, empfiehlt es sich auch, die Schulleitung und die Schülereltern ins Bild zu setzen – auch um zu klären, ob alle Schülerinnen und Schülern Internet und passende Geräte nutzen können. Sollten nicht alle Kinder zuhause Internet haben, können Sie diesen die Videos auf USB-Stick zur Verfügung stellen.
Mit dem Flipped Classroom wird der Unterricht transparenter, was viele Eltern zu schätzen wissen.
Das erste Video sehen Sie sich am besten gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern an. So können Sie verdeutlichen, was beim Ansehen eines Lernvideos zu beachten und zu erarbeiten ist.
Schon weil die Lernvideos des Flipped Classrooms im Prinzip nichts anderes sind, als Frontalunterricht (der dafür in der Präsenzphase nur noch selten zum Einsatz kommt), sollten Sie weiterhin aus dem Vollen der Methodenkiste schöpfen. Abhängig vom Lernziel sind Videos nicht immer die beste Wahl, sondern vielleicht der Einstieg über ein Experiment oder Projektarbeit, um das selbstentdeckende Lernen zu fördern.
Aber auch das Flipped Classroom kann sich an die Gegebenheiten anpassen: Ein Erklärvideo kann z. B. gemeinsam in der Klasse geschaut werden, wenn es nach einer Phase des selbstständigen Erarbeitens die Ergebnisse zusammenfasst. Das wird übrigens als „in-class-flip“ bezeichnet. Oder Sie machen ein „half flipped classroom“: Hier wird das im Klassenraum Erarbeitete zuhause (unterstützt durch ein Video) nachbearbeitet.
Im Klassenzimmer üben und vertiefen
Was passiert nun in der Präsenzphase? Hier vier mögliche Phasen einer Flipped Classroom-Stunde:
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Kontrolle:
Waren zum Lernvideo Fragen zu bearbeiten und Aufschriebe anzufertigen, geben diese Ihnen einen ersten Anhaltspunkt, ob die Videos angesehen und bearbeitet wurden. Beginnen Sie die Stunde nicht mit Wiederholen – so würden Sie die eingesparte Zeit und den Anreiz, die Videos zu schauen, verspielen.
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Fragerunde:
Sie können zu Beginn der Stunde die offenen und weiterführenden Fragen Ihrer Schülerinnen und Schüler sammeln. Sind es viele, erkundigen Sie sich, wer welche Frage auch hat. So können Sie die Fragen priorisieren und nach und nach abarbeiten.
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Übungen:
Lassen Sie die Schülerinnen und Schüler einzeln oder in Kleingruppen Übungsaufgaben zu den neuen Lerninhalten bearbeiten. Währenddessen haben Sie Zeit, auf Schwierigkeiten und Fragen einzelner Kinder individuell einzugehen.
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Diskussions- und Reflexionsphase:
Um den Stoff noch zu vertiefen, eignen sich Diskussionsrunden, während denen sich die Schülerinnen und Schüler im Argumentieren üben können und das Gelernte reflektieren.
Darum lohnt sich das Flipped Classroom
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Selbstorganisiertes, individuelles Lernen:
Das Flipped Classroom ermöglicht es den Schülerinnen und Schülern, selbst zu entscheiden, wo, wann und v. a. in welchem Tempo sie lernen.
Schülerinnen und Schüler, denen es im herkömmlichen Unterricht manchmal zu schnell geht und die infolgedessen nicht mehr mitkommen und aussteigen, können hier einfach auf Pause drücken, sich Passagen nochmals ansehen und haben Zeit, darüber nachzudenken. Auch alle, die sich sonst schon langweilen, weil sie bereits alles verstanden haben, profitieren von der selbstständig wählbaren Unterrichtsgeschwindigkeit. Auf der anderen Seite haben Sie in der Präsenzphase mehr Zeit, um auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler einzugehen.
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24/7:
War ein Schüler/eine Schülerin krank oder steht eine Klausur an, kann der Vortrag jederzeit wieder abgerufen werden.
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Feedback:
Die in die Präsenzphase verlegte Übungszeit ermöglicht es Ihnen, Ihren Schülerinnen und Schülern mehr Feedback zu ihrem Lernstand geben zu können. Es wird schnell deutlich, wer den Lernstoff verstanden hat und wer noch Hilfe benötigt.
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Höhere Aufmerksamkeit:
Es wird weniger nur konsumiert.
Die Gefahr, dass Schülerinnen und Schüler gedanklich schon aus dem Klassenraum entschwunden sind, ist deutlich geringer, wenn bei Übungen und Diskussionen Denkleistung, Argumentationsfähigkeit und Kreativität herausgefordert sind.
Auch für Sie als Lehrerinnen und Lehrer hat die Methode einige Vorzüge:
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Redezeit reduzieren:
Da gerade die Unterrichtsphasen, die Sie frontal halten würden, bestens ausgelagert werden können, wird Ihre Sprechzeit herunter- und die der Schülerinnen und Schüler hochgeschraubt. Dieses Plus an Redezeit ist für die Schülerinnen und Schüler ein Vorteil für alle Fächer, besonders auch für den Fremdsprachenunterricht.
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Keine Langeweile:
Manche Themen und Grundlagenwissen müssen Sie immer wieder in nahezu gleicher Form wiederholen. Einmal auf Video gebannt, überlassen Sie das Abspulen der Technik.
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Mehr Betreuungszeit:
Die ausgelagerte Vortragszeit können Sie nun für eine individuellere Betreuung der Schülerinnen und Schüler einsetzen: Es bleibt mehr Zeit zum Diskutieren und zur Klärung von Fragen. Dadurch haben Sie besser im Blick, wo die Klasse steht und sind in der Präsenzphase sozusagen mehr Lernbegleiter/in und Berater/in als Wissensvermittler/in.
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Keine abgeschriebenen Hausaufgaben mehr:
Statt Übungsergebnisse müssen die Schülerinnen und Schüler Wissen erarbeiten, das lässt sich nun mal schwer noch kurz vor der Stunde kopieren ;-)
Wirksamkeit und Einsatzmöglichkeiten
Die Methastudie „Effectiveness of the Flipped Classroom on Student Achievement in Secondary Education: A Meta-Analysis“ von Wagner, Gegenfurtner und Urhane (2020) zeigt, dass das Flipped Classroom positive Effekte auf die Lernleistung der Schülerinnen und Schüler hat und eine wirksame Methode ist.
Der Vergleich zu herkömmlichen Unterricht ist aufgrund der noch dünnen Datenbasis noch schwierig. Die bisherigen Ergebnisse und Erfahrungsberichte zeigen teilweise verbesserte, teilweise gleichbleibende Ergebnisse.
Neben der Wirksamkeit steht aber v. a. das Ziel im Vordergrund, mehr Zeit für Fragen, Diskussionen und einer Vertiefung des Themas zu haben. Der Einsatz ist dann sinnvoll, wenn er zu Ihrer pädagogischen Haltung, Ihren Lerninhalten und -zielen passt.
So eingesetzt ist das Flipped Classroom eine Bereicherung und Ergänzung des Methodenpools, macht den Unterricht abwechslungsreicher und eröffnet ganz neue Perspektiven.
Häufig gestellte Fragen
Was versteht man unter Flipped Classroom?
Beim "Flipped Classroom" sind die Lernorte vertauscht: Der eigentliche Unterricht findet beim mithilfe von Lernvideos zuhause statt, das so Gelernte wird in der Schule durch Übungen mit dem Lehrer/der Lehrerin als Lerncoach gefestigt.
Wer hat die Methode „Flipped Classroom“ erfunden?
Ursprünglich stammt die Idee aus den USA von Jonathan Bergmann and Aaron Sams, die ihren Unterricht für fehlende Schülerinnen und Schüler filmten und aus ihren Erfahrungen die Methode Flipped Classromm entwickelten.
Welche Vorteile hat „Flipped Classroom“?
- Förderung von selbstorganisiertem, individuellen Lernen
- Mehr Möglichkeit für Feedback und individuelle Betreuung
- Höhere Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler
- Der Lernstoff ist jederzeit z. B. für fehlende Schülerinnen und Schüler abrufbar
Quellen:
- Wie wirksam ist Flipped Classroom? Erste wissenschaftliche Erkenntnisse für die Sekundarstufe
- Flipped Classroom: „Geflippte” Stunden stellen die Lernenden ins Zentrum
- Flip your class
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