Gamification im Unterricht
Nachdem die Werbebranche Gamification als Maßnahme zur Kundenbindung für sich entdeckt hat, finden Spieldesignelemente und Spielemechaniken z.B. auch im Gesundheits- und Fitnessbereich, beim Online-Shopping und eben auch im Bereich der Bildung Anwendung.
Hier erfahren Sie, wie Sie Ihren Schülern das Lernen mit Spiel-Elementen erleichtern, Beispiele für Gamification, Tipps und welche Kritik es an der Methode gibt.
Häufig gestellte Fragen
Was versteht man unter Gamification?
Durch den Einsatz von spieltypischen Elementen wie Spieldesign, Spielmechaniken oder Spielprinzipien in einem spielfremden Zusammenhang sollen Menschen motiviert werden, bestimmte Ziele zu erreichen. Die Spielelemente stammen sowohl aus dem Bereich der Video- bzw. Computerspiele wie auch dem der Brett- und Kartenspiele.
Warum sollte man Gamification im Unterricht anwenden?
Ziel ist, dass die Schülerinnen und Schüler konzentrierter, motivierter und mit mehr Freude bei der Sache sind. Weitere Vorteile finden Sie hier.
Wie funktioniert Gamification?
Gamification weckt den Spieltrieb und steigert die Motivation, sich mit neuen Themen zu befassen. Damit Gamification nicht nur kurzfristig wirkt, sollten nach Roman Rackwitz diese 5 Punkte erfüllt sein:
- Klare Ziele und Regeln
- Informationenstransparenz
- Schnelle Rückmeldung über Erfolg/Misserfolg
- Entscheidungsfreiheit
- lösbare, abwechslungsreiche Herausforderungen
Was sind Gamificationelemente?
Diese Spielelemente kommen häufig zum Einsatz:
- Quest
- Storytelling
- Gruppenarbeit
- Erfahrungspunkte
- Level
- Badges (Auszeichnungen)
- Ranglisten
- Fortschrittsbalken
- Highscores
Gamification in der Schule
Einige Lehrerinnen und Lehrer setzen bereits auf die Idee, die Spielfreude und den Spieltrieb zur Steigerung der Lernmotivation der Schüler einzusetzen.
Sie machen überwiegend die Erfahrung, dass die Kinder konzentrierter, motivierter und mit mehr Freude bei der Sache sind.
Alle, die eine Abneigung gegen trendig klingende englische Bezeichnungen haben, sollten aber nicht gleich in Abwehrhaltung gehen. Zum einen klingt der englische Ausdruck „Gamification“ einfach viel besser als „Spielifizierung“, und zum anderen haben die Ansätze aus dem Bereich der Spiele das Potential, sich positiv auf den Unterricht auszuwirken:
- Elemente aus der Welt der Spiele wirken ansprechend auf die Schüler und können so zur Steigerung der Lernmotivation beitragen.
- Erfolge werden durch die vielfältigen Feedbackelemente sofort belohnt – auch das motiviert zum Weitermachen!
- Gamification zeigt den Schülern Wege zur Bewältigung von Aufgaben auf, deren Lösung sie sich sonst nicht zutrauen würden.
- So können sie häufiger Lernerfolge erzielen, die das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten stärken.
- Scheitern ist im Spiel weniger schlimm, deshalb erlaubt Gamification, dass sich die Kinder in einer sicheren Umgebung austesten können.
- Vielen Schülern fällt es leichter bei der Sache zu bleiben, wenn sie am Ende wie in einem Spiel ein konkretes Ziel erreichen können.
- Falsche Antworten oder Fehler sind in der Welt der Spiele anders als im Unterricht (zumindest aus Schülersicht) oder gar in Prüfungen nichts Tragisches. Die Schüler trauen sich deshalb eher, einen Versuch zu wagen. Einen starken Gegner bezwingt man in einem Computerspiel selten beim ersten Versuch. Stattdessen geben diese Rückschläge den Anreiz, es besser zu machen.
- Kooperative Spiele stärken den Zusammenhalt in der Klasse.
Will man den gesamten Unterricht „gamifizieren“, ist natürlich ein ausgefeiltes pädagogisches Konzept vonnöten. Sie sollten Ihre Schüler gut einschätzen können, um sie gemäß ihren Leistungen passend herauszufordern. Dabei ist der Aufwand für Sie selbst nicht zu unterschätzen.
Einen guten Überblick zu den Voraussetzungen für Gamification bietet der Beitrag „Gamification und Bildung – Wenn Schule zum Spiel wird“, der im seminarbegleitenden Blog der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg veröffentlicht wurde.
Es spricht allerdings nichts dagegen, den eigenen Unterricht nur ab und an mit kleinen Spiel-Elementen aufzuwerten. Das kann sich besonders bei Themen lohnen, die von den Schülern sonst nicht so gern bearbeitet werden. So bleiben die Momente für die Schüler etwas Besonderes und ihr Zeitaufwand hält sich in Grenzen.
Hier ist nur wichtig zu beachten, dass es sich hierbei um eine extrinsische Motivation über Belohnungen handelt. Wenden Sie diese Variante häufiger an, kann sich der motivierende Effekt abnutzen.
Elemente aus der Welt der Spiele und ihre Rolle im Unterricht
-
Quest:
Eine Quest ist vergleichbar mit einer Mission, die erfüllt werden muss, um Erfahrungspunkte zu sammeln oder in ein höheres Level aufzusteigen. Manche Quests müssen innerhalb einer begrenzten Zeit erledigt werden, andere fordern Teamarbeit.
Je nach Aufbau der Quest üben sich die Schüler in Teams zu organisieren oder selbstständig Lösungswege zu finden. Für die Lösung der Quest gibt es Erfahrungspunkte oder ein anderes positives Feedback. Wahlmöglichkeiten machen das Spiel spannend und erlauben es den Schülern kreativ zu werden. -
Storytelling:
Computerspiele erzählen in der Regel eine Geschichte, die mal mehr, mal weniger im Vordergrund steht. Die Spieler werden in die Geschichte mit eingebunden und haben eine Aufgabe zu erfüllen.
Spinnen Sie um das neue Thema bzw. die Unterrichtseinheit eine Geschichte. Wie in Rollenspiel- oder Adventure-Games haben Ihre Schüler eine Quest zu erfüllen. Inhalte von Aufgaben und Unterrichtsmaterialien orientieren sich dabei an dieser Geschichte. -
Epic Meaning:
Vermittelt das Spiel den Teilnehmern das Gefühl, ein bedeutender Teil eines größeren Ganzen zu sein, spricht man v.a. bei Rollenspielen von Epic Meaning.
In einer Teamaufgabe kann es beispielsweise Bedingung zur Lösung der Quest sein, dass alle Schüler einen Anteil an der Lösung haben. -
Erfahrungspunkte:
Erfahrungspunkte werden durch das Lösen von Aufgaben gewonnen.
Die Punkte geben den Schülern sofort ein Feedback, wo sie im Moment stehen. -
Level:
Level stehen für verschiedene Schwierigkeitsstufen des Spiels. Je höher das Level, umso schwerer.
Stärkere Schüler durchlaufen leichte Level schnell. Wer noch nicht so geübt ist, hat die Möglichkeit, sich langsam zu verbessern, bevor der nächste Level angegangen wird. Da leistungsstarke Schüler schneller fertig sind, können Sie für diese Fleißaufgaben bereithalten, durch die z. B. besondere Auszeichnungen gewonnen werden können. -
Badges (Auszeichnungen und Titel):
Wer eine Aufgabe besonders schnell oder mit einem besonders guten Ergebnis gelöst, anderen Mitspielern geholfen oder viele Rätsel gelöst hat, erhält eine Auszeichnung.
Die Auszeichnung ist ein Feedback für den Schüler und motiviert, noch mehr Auszeichnungen zu sammeln.
Welche Spiele eignen sich zum Einsatz im Unterricht?
Im Prinzip eignet sich jedes Spiel oder Spielelement – Sie müssen es lediglich mit den gewünschten Lernprozessen verbinden.
Tablets und Smartphones bieten viele neue Möglichkeiten, Spielelemente in den Unterricht zu integrieren.
Online-Plattformen wie Classcraft oder QuesTanja bieten in Form von Rollenspielen, in denen Ihre Schüler Helden verkörpern, bereits einen fertigen Rahmen für Ihren Unterricht.
Andere Computerspiele greifen auch schwierige Themen auf, die durch die Visualisierung für die Schüler nachvollziehbar werden. So haben gleich mehrere Spielemacher die Themen Flucht und Asyl aufgegriffen. Mehr zu diesen Spielen erfahren Sie im Beitrag „Computerspiele zum Thema Flucht und Asyl“ des Medienpädagogik Praxisblogs.
So verbinden z. B. Educaching-Apps wie Biparcours oder Actionbound Geocaching mit Rätseln und Aufgaben, die an verschiedenen Stationen eines Parcours gelöst werden müssen.
Auf der Seite LearningApps.org finden Sie interaktive und multimediale Lernbausteine, die Sie in den Unterricht einbetten können.
Gamification ist aber nicht mit dem Einsatz spezieller Lernspiele gleichzusetzen:
Auch Spielmechanismen von Computerspielen, die zunächst einmal nicht auf Lerneffekte ausgerichtet sind, können im Unterricht eingesetzt werden, um Lernprozesse zu bereichern:
- Bei vielen Lehrerinnen und Lehrern, die Gamification für sich entdeckt haben, kommt beispielsweise das Computerspiel „Minecraft“ zum Einsatz. Das „Klötzchenspiel“ ist vielseitig einsetzbar und lässt den Schülern kreativen Freiraum.
Das Unterrichtsthema Architektur kann durch das Nachbauen bekannter Gebäude behandelt werden. Die Bauten können virtuell sogar besichtigt werden. Für den Fremdsprachenunterricht eignet sich die Funktion, Gegenstände mittels Schildern zu benennen, wodurch das Spiel zu einem „Vokabelheft“ wird. Im Biologieunterricht lässt sich die Vererbungslehre durch die Zucht verschiedenfarbiger Schafe visualisieren.
Mehr dazu finden Sie hier: education.minecraft.net - Statt eines literarischen Werks können Sie Ihre Schüler eine Textanalyse auch für einen Level eines Adventure-Games anfertigen lassen.
- Physik- und Mathelehrerinnen und -lehrer setzen gerne das Puzzle-Computerspiel „Portal 2“ ein.
Aber es geht auch ohne digitale Medien:
- Gestalten Sie die Abfragerunde doch mal als Quiz. Zur richtigen Game-Show wird es, wenn Sie Antwort-Buzzer einsetzen. Mehr dazu finden Sie im Blog-Beitrag „Antwort-Buzzer im Unterricht“.
- Mit den Betzold eduBotics-Produkten können Schüler ihre Kreativität spielen lassen. Unterrichtsentwürfe für verschiedene Fächer erleichtern den Einsatz von eduBotics im Unterricht.
- Aber auch ganz einfache Ideen haben eine große Wirkung: Wenn Sie Ihre Schüler im Physikunterricht Papierflieger basteln lassen und anhand der Flugeigenschaften physikalische Prinzipien erläutern, vergisst kein Schüler dieses Wissen so schnell wieder :)
Tipps für Gamification im Unterricht
Damit diese Ziele erreicht werden können, sollte Ihre gamifizierte Unterrichtssequenz einige Rahmenpunkte erfüllen:
- Legen Sie ein konkretes Spielziel fest.
- Legen Sie Spielregeln fest, an die sich die Schüler halten sollen.
- Das Spiel sollte immer eine Herausforderung darstellen.
- Diese muss aber für die Schüler zu bewältigen sein. Da selten alle Schüler auf demselben Lernniveau sind, können Sie das Spiel in verschiedene Level gliedern. So kann jeder Schüler in seinem individuellen Lerntempo arbeiten.
- Spiele, die den Schülern Raum für eigene Lösungswege und Kreativität lassen, sind besonders motivierend.
- Schüler müssen nicht immer nur für sich spielen: Bei Teamspielen mit wechselnden Gruppenmitgliedern lernen sie sich besser kennen und müssen sich auf die anderen Mitspieler verlassen. Das stärkt den Klassenzusammenhalt.
- Um für Ihre Schüler relevant zu sein, sollte das Spiel den Schülern Feedback geben.
- Erfahrungspunkte, Abzeichen oder ein sich füllender Fortschrittsbalken können den Schülern eine Rückmeldung geben.
- Natürlich sollte das Spiel auch mit einem Lernerfolg, den Sie mit Ihren Schülern erreichen wollen, verknüpft sein.
Kritik an der Gamifizierung des Unterrichts
Der Einsatz von Gamification im Unterricht wird besonders aus zwei Gründen auch kritisch betrachtet:
1. Motivation oder doch nur Manipulation:
Der Vorwurf, Gamification manipuliere die Schüler, steht besonders dann im Raum, wenn als einziges Element aus der Welt der Spiele der Einsatz von Auszeichnungen, Abzeichen, Level oder Sammelpunkte, die gegen Belohnungen eingetauscht werden können, übernommen wird.
Die Befürchtung ist, dass nur noch für die Belohnung gelernt wird, die angestrebte Lernfreude und Entdeckung eigener Interessen aber auf der Strecke bleiben.
Lösungsideen:
- Setzen Sie nicht allein auf die Belohnungsmechanismen von Spielen. Da diese Feedback-Instrumente den Schülerinnen und Schülern aber auch helfen können, sich selbst einzuschätzen und Erfolge zu verdeutlichen, ist ein kompletter Verzicht ebenfalls nicht sinnvoll.
- Geben Sie den Kindern die Freiheit, eigene Ideen und Lösungsansätze zu entwickeln. Neugier, Kreativität und die Freude am Experimentieren sollten den Hauptanreiz ausmachen. Das klappt beispielsweise gut mit Rätseln und Geheimnissen, die die Schüler aufdecken sollen. Belohnungen sind dann nur noch das Sahnehäubchen ;-)
- Um die Schülerinnen und Schüler intrinsisch zu motivieren. sind die oben genannten 5 Punkte von Rackwitz sinnvoll: Neben der genannten Eintscheidungsfreiheit zählen klare Regeln und Ziele, Informationstransparenz, immer neue Herausforderungen und Feedback in Echtzeit dazu.
2. Gamification macht aus Mitschülern Konkurrenten:
Am Ende eines Spiels gibt es in der Regel Gewinner und Verlierer. Die meisten Spiele leben von dieser Wettbewerbssituation.
Dies spornt die Schüler dazu an, zu lernen, um sich zu verbessern. Ist ein Schüler jedoch häufig auf der Verliererseite, kann das auch ziemlich demotivierend sein. Andere Schüler mit einem ähnlichen Leistungsniveau können zu Konkurrenten werden, die sich nur noch gegenseitig ausstechen wollen. Keine idealen Voraussetzungen für eine gute Lernatmosphäre.
Lösungsideen:
- Highscores, auf denen die Schüler nach Leistungsstand aufgelistet sind, sind für die Schule deshalb weniger geeignet. Möchten Sie sie als Ansporn dennoch einsetzen, sollten Sie die Listen in regelmäßigen Abständen löschen, damit jeder wieder eine Chance hat, einen oberen Platz zu erlangen.
- Wird in Teams gespielt, sollten Sie die Zusammensetzung der Gruppen immer wieder ändern.
- Setzen Sie Spiele ein, bei denen kreative Lösungsansätze eher im Vordergrund stehen, als das schnelle Erreichen eines Ziels. Wie z. B. im Kreativmodus des oben vorgestellten Computerspiels Minecraft.
Noch ein abschließender Vorteil der Gamification: Im gamifizierten Unterricht ist die Klassenarbeit auch nur ein weiterer Endgegner, den die Schüler besiegen können :)
Literatur:
- mebis Infoportal: Was ist Gamification? (Link leider inaktiv)
- Christian Wettke: Gamification im Unterricht - nicht nur Spielerei!: Grundlagen und Praxisbeispiele für den Unterricht, AOL-Verlag 2019.
- Silke Fischer/Andrea Reichmuth: Gamification - Spielend lernen, hep Verlag 2020.
- Eike Wagner: Mit Gamification spielend verändern
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