Gewalt gegen Lehrerinnen und Lehrer
Das erfahren Sie in diesem Beitrag
- Beleidigungen, Drohungen und physische Gewalt gegen Lehrkräfte dürfen kein Tabuthema bleiben
- Hat das Problem „Gewalt in der Schule“ zugenommen?
- 23 Prozent waren bereits selbst Ziel psychischer Gewalt
- Lehrerinnen und Lehrer wünschen sich mehr Unterstützung
- Welche Möglichkeiten haben Lehrerinnen und Lehrer, wenn sie Ziel von physischer oder psychischer Schülergewalt werden?
Beleidigungen, Drohungen und physische Gewalt gegen Lehrkräfte dürfen kein Tabuthema bleiben
Gewalt an Schulen ist ein Thema. Im Fokus von Medien und Öffentlichkeit steht dabei insbesondere die verbale, physische und psychische Gewalt, die Schüler gegen andere Schüler ausüben. Um es am besten gar nicht erst soweit kommen zu lassen, gibt es inzwischen an vielen Schulen Maßnahmen zur Gewaltprävention (ein Beispiel hierfür finden Sie im Beitrag „Gewaltprävention an Schulen: Spielerisches Kämpfen“).
Dass das Problem „Gewalt an Schulen“ nicht allein auf diese Fälle begrenzt ist, zeigen Medienberichte, die von Übergriffen durch Schüler und auch Eltern auf Lehrerinnen und Lehrer berichten:
- Im Juni 2016 verurteilte das Landgericht Hannover nach Angaben von Spiegel Online einen 16-Jährigen, der während einer Klassenfahrt zwei Jahre zuvor seinen Lehrer attackierte und versuchte, ihn mit einem Schnürsenkel zu würgen. Auslöser war eine Auseinandersetzung um Filmaufnahmen mit dem Handy, das der Lehrer dem Schüler infolgedessen abnahm.
- Im September 2016 berichtete News4Teachers über einen Zwischenfall an einer Schule in Radolfzell, der zeigt, dass Gewalt gegen Lehrerinnen und Lehrer auch von Schülereltern ausgehen kann: Nachdem ein Vater seine Tochter aus einer laufenden Unterrichtsstunde abholen wollte und die Lehrerin dies verneinte, kam es zu einem Streit. Der Vater beleidigte die Lehrerin seiner Tochter und schlug sie nieder, nachdem sie sich an die Schulleitung wenden wollte.
Dies sind nur zwei Beispiele für im negativen Sinne aufsehenerregende Fälle, die sich leider leicht durch weitere ergänzen ließen.
Hat das Problem „Gewalt in der Schule“ zugenommen?
59% der im Rahmen einer im November 2016 veröffentlichten Forsa-Studie befragten Lehrkräfte beantwortete diese Frage bezogen auf die vergangenen fünf Jahre mit „ja“. Eine Einschätzung, die besonders viele Lehrkräfte an Förder- und Sonderschulen (71%) sowie an Grundschulen (66%) teilen. Geringer sind die Anteile an Kollegien in Gymnasien (53%) und Gesamtschulen (54%).
Und leider scheint Gewalt gegen Lehrerinnen und Lehrer ein Tabuthema zu sein: 57% stimmten dieser Aussage zu. Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung, äußerte sich dazu deutlich: „Viel zu oft wird das Problem kleingeredet. Die schlimmste Relativierung: ‚Das gehört halt zu Ihrem Job‘. Außer professionellen Kampfsportlern ist mir keine Personengruppe bekannt, zu deren Job es gehört, sich psychisch und physisch angreifen zu lassen“.
Die Umfrage wurde durch den Verband Bildung und Erziehung (VBE) in Auftrag gegeben. Knapp 2.000 Lehrerinnen und Lehrer v. a. aus Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen beteiligten sich an der Studie.
Im Mai 2018 befragte Forsa im Auftrag des VBE rund 1.200 Schulleitungen. Die Umfrage bestätige, dass es sich bei Gewalt gegen Lehrkräfte um kein Randphänomen handle, so Gerhard Brand, der Landesvorsitzende des VBE Baden-Württemberg. 45% der Schulleiterinnen und Schulleiter in Baden-Württemberg berichten, dass Lehrerinnen und Lehrer durch Beleidigungen, Beschimpfungen, Mobbing oder Drohungen psychisch angegriffen wurden. Jede vierte Schulleitung gab an, dass es Fälle körperlicher Gewalt innerhalb der vergangenen fünf Schuljahre gegen Lehrkräfte gab.
23 Prozent waren bereits selbst Ziel psychischer Gewalt
Dass dies weit mehr als ein vager Eindruck ist, zeigen die Ergebnisse der Umfrage zu bekannten Fällen von Gewalt an der eigenen Schule: Über die Hälfte der Befragten kennt Kolleginnen und Kollegen, die in den letzten fünf Jahren beleidigt, bedroht oder gemobbt wurden. Fast jeder Vierte war selbst bereits psychischer Gewalt ausgesetzt.
Die Unterschiede zwischen den Schulformen sind gravierend: Während an Gymnasien „nur“ 14% der Lehrkräfte psychische Gewalt direkt erleben musste, liegen die Angaben für Förder- und Sonderschulen sowie Hauptschulen mit 49 bzw. 45% weit höher.
Erschreckend hoch ist die Zahl der Fälle, in denen psychische Gewalt von Eltern ausgeht.
Auch der Bereich des Cyber-Mobbings nimmt nach Ansicht von 77% der befragten Lehrerinnen und Lehrer zu. Diejenigen, die bereits einmal Ziel von Cyber-Mobbing wurden, erlebten v. a. Beleidigungen und üble Nachrede (88%). In 17% der Fälle wurden Bilder oder Videos hochgeladen und so verbreitet. Auch hier sind unter den Tätern nicht nur Schüler (67%), sondern auch Eltern (27%).
Dagegen scheint die Zahl körperlicher Übergriffe wie schlagen, treten, schütteln oder stoßen mit 6% an selbst erlebten Fällen gering. Udo Beckmann verdeutlicht, dass dies ein Trugschluss wäre: „6% von knapp 755.000 an allgemeinbildenden Schulen beschäftigten Lehrkräften sind über 45.000 Lehrerinnen und Lehrer, die tätlich angegriffen wurden! Wir lassen uns nicht mehr erzählen, dass Gewalt gegen Lehrkräfte Einzelfälle sind“.
Auch hier zeigen sich Abstufungen unter den Schulformen:
Ins Auge fällt, dass Grundschulen den zweiten Rang in dieser unschönen Statistik einnehmen. Die Annahme, dass das Problem „Gewalt gegen Lehrkräfte“ Lehrerinnen und Lehrer, die die „Kleinen“ unterrichten, kaum betrifft, geht demnach fehl!
Lehrerinnen und Lehrer wünschen sich mehr Unterstützung
Überwiegend enttäuscht zeigen sich Lehrerinnen und Lehrer von dem Engagement der Schulministerien und Regierungen der Länder. Nur 22% finden, dass sich die Politik hier in ausreichendem Maß einsetzt, während sich 58% mehr Unterstützung wünschen. Ein ähnliches Bild zeichnet sich für Schulverwaltungen von Städten und Gemeinden ab: 45% sind der Ansicht, dass sie zu wenig Beistand erhalten; 32% sind mit der bestehenden Leistung zufrieden.
Dagegen wissen 72% der Befragten die Schulleitung an ihrer Seite, wenn es zu Problemen mit Gewalt kommen sollte. 18% vermissen Engagement seitens der Schulleitung.
Welche Möglichkeiten haben Lehrerinnen und Lehrer, wenn sie Ziel von physischer oder psychischer Schülergewalt werden?
Die Konsequenzen sollten natürlich immer abhängig von der Schwere der Tat sein, nie herabwürdigend oder beleidigend.
- Festgelegte Abläufe: Hilfreich sind allgemein bekannte Regelungen der Schule, wie in Fällen von Gewalt gegen Lehrkräfte vorgegangen werden soll und welche Abläufe es gibt. So sind Sanktionen transparent, berechenbar und können konsequent erfolgen. Das gesamte Kollegium kann dadurch an einem Strang ziehen und auch die Schüler wissen, woran sie sind. Nach Angaben aus der Studie unterrichten immerhin 44% der Befragten an Schulen, wo dies der Fall ist.
- Lehrkräfte im Umgang mit Gewalt schulen: Die Angaben aus der Studie zeigen, dass viele Lehrerinnen und Lehrer Ziel von Schülergewalt werden. Fortbildungen zu Themen wie Deeskalationsmöglichkeiten können auf solche Situationen in einem gewissen Rahmen vorbereiten.
Der Bedarf ist auf jeden Fall vorhanden: 42% wünschen sich mehr Fortbildungen zum Thema „Gewalt gegen Lehrkräfte“. - Schulleitung informieren: Wie die Studie zeigte, erhalten Lehrkräfte durch die Schulleitung im überwiegenden Teil der Fälle gute Unterstützung. Während psychische und physische Übergriffe durch Schüler sehr häufig gemeldet werden (in 89 bzw. 91% der Fälle), unternehmen Lehrkräfte diesen Schritt im Fall von psychischer Gewalt durch Schülereltern weit seltener: nur 65% der Befragten meldete solche Zwischenfälle; 2% erstattete Anzeige.
- Pädagogische Erziehungsmaßnahmen: Erzieherische Maßnahmen wie Gespräche mit den Schülern, um die Tat zu reflektieren, Ermahnungen, die Information der Eltern über das Fehlverhalten, die Vergabe von Aufgaben, die den Schüler sein Fehlverhalten erkennen lassen, sind ein erster Schritt im Umgang mit Schülergewalt.
- Ordnungsmaßnahmen: Müssen Ordnungsmaßnahmen erfolgen, ist es wichtig, die in den Schulgesetzen der Länder vorgesehene Abfolge sowie die Verhältnismäßigkeit zu beachten.
Nach Information der Eltern können Lehrkräfte Schüler bis zu zwei Unterrichtsstunden nachsitzen lassen. Andere Ordnungsmaßnahmen werden von der Schulleitung veranlasst. Die zur Verfügung stehenden Maßnahmen reichen von längerem Nachsitzen über den zeitweiligen Ausschluss vom Unterricht bis hin zum Schulverweis.
Zudem besteht die Möglichkeit, den Schülern eine Ordnungsmaßnahme durch die Ableistung sozialer Tätigkeiten zu erlassen. - Anzeige erstatten: Wer das Ziel von Gewalt durch Schüler wird, hat neben den schulinternen Maßnahmen auch die Möglichkeit, Anzeige zu erstatten. Nach den Studienergebnissen greifen im Fall körperlicher Gewalt 9% und bei psychischer Gewalt 7% der Lehrkräfte, die selbst Schülergewalt erlebten, zu dieser Maßnahme.
Gefragt nach den Gründen, warum sie keine Anzeige erstatteten, antworteten die Befragten wie folgt:
Um es im besten Fall gar nicht erst soweit kommen zu lassen, können Schulen, wie eingangs erwähnt, Maßnahmen zur Gewaltprävention ergreifen. Obwohl solche Maßnahmen inzwischen an vielen Schulen existieren, gibt es auch hier noch etwas Luft nach oben:
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