Schwimmunterricht an Schulen
Aber wie sieht es in der Realität aus? Welche Auswirkungen haben die Schließungen von Schwimmbädern? Steigt die Zahl der Nichtschwimmer?
Soll- und Ist-Zustand liegen weit auseinander
2019 hielten Vertreter des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB), des Deutschen Sportlehrerverbands (DSLV) und der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) im „Memorandum zum Schulsport“ folgenden „Soll-Zustand“ fest: „Es gilt die Forderung, dass jedes Kind am Ende der Grundschulzeit sicher schwimmen können muss.“
In der Realität zeigt sich jedoch ein anderes Bild: Daten, die im Rahmen der KiGGS-Studie des Robert-Koch-Instituts zwischen 2009 und 2012 erhoben wurden, ergaben, dass
- 14,5% der 5- bis 17-jährigen Kinder und Jugendlichen in Deutschland nicht sicher schwimmen können.
- die Zahl der Kinder und Jugendlichen aus sozial benachteiligten Verhältnissen und mit Migrationshintergrund unter den Nichtschwimmern besonders hoch ist.
- weniger Jungen im Grundschalter schwimmen können und Mädchen die Schwimmfähigkeit im Schnitt auch vier Monate früher erwerben.
Eine im Juni 2017 vorgestellte repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) ergab , dass unter den Zehnjährigen die Zahl der unsicheren Schwimmer sogar bei 59% liegt.
Die Corona-Pandemie, die zum massiven Ausfall des Schwimmunterrichts geführt hat, dürfte die Situation weiter verschlechtern. Sowohl, was die Lage des Anteils an unsicheren Schwimmern betrifft, wie auch die Situation der Bäder, die zwar weiterhin Kosten, aber keine Einnahmen hatten.
Pünktlich zum Start der Badesaison häufen sich deshalb wieder die warnenden Berichte in den Medien zur mangelnden Schwimmfähigkeit von Kindern.
Immer mehr Schwimmbäder müssen schließen
Meist fehlt schlicht die Möglichkeit, Schwimmunterricht zu geben: Die Betriebs- und Instandhaltungskosten von Schwimmbädern sind hoch und in vielen Gemeinden sind die Gelder knapp. Oft fällt dann der Entschluss, unrentable Bäder zu schließen oder in ökonomisch attraktivere Spaßbäder umzuwandeln. Dort kann man dann zwar prima rutschen und plantschen, doch zum Schwimmen lernen eignen sich die Becken selten.
Laut „Die Welt“ wurden 320 Bäder zwischen 2007 und 2014 geschlossen und aktuell stehen weitere 580 vor dem Aus.
Wie viele und welche Art Bäder es in Ihrer Umgebung gibt, wie diese ausgestattet sind, zeigt das Projekt Bäderleben.
Weiter entfernte Bäder sind meist keine Alternative, wenn der Zeitaufwand (längere Anfahrt, Umziehen, Duschen, Haare trocknen …) dazu führt, dass von zwei Schulstunden nur noch 15 Minuten für den Unterricht bleiben. Auch die höheren Transportkosten spielen natürlich eine Rolle.
Schon 2005 zeigte die SPRINT-Studie, dass 20% der Grundschulen und noch mehr weiterführende Schulen keine Möglichkeit haben, Schwimmunterricht zu erteilen. Es ist deshalb zu erwarten, dass es Schüler gibt, die im Laufe ihrer gesamten Schulzeit nie im Schwimmen unterrichtet werden – und mit jedem weiteren schließenden Schwimmbad steigt diese Wahrscheinlichkeit.
Mangel an qualifizierten Lehrkräften
Andere Schulen haben zwar ein geeignetes Schwimmbad, es fehlen jedoch qualifizierte Lehrkräfte.
Neben fachdidaktisch-methodischen Kenntnissen benötigen Schwimmlehrerinnen und -lehrer einen Nachweis der Rettungsfähigkeit, der ohne ein Sportstudium in der Regel erst noch erbracht werden muss.
In einigen Bundesländern muss dieser Nachweis seit kurzem alle vier Jahre aufgefrischt werden, was natürlich den Bedarf an Fortbildungen, und die Bereitschaft diese zu besuchen, enorm erhöht. Manchen ist auch die Verantwortung zu groß, eine größere Schülergruppe im Schwimmbad zu beaufsichtigen.
Viele Kinder haben Angst vor dem Schwimmen
In Neukölln – um nochmals auf unser Beispiel für eine katastrophale Nichtschwimmerquote zurückzukommen – wird ein weiterer Grund offenbar: Viele der Kinder haben extreme Angst vor dem Wasser. Bis zum ersten Schulschwimmen haben sie oft keinerlei Erfahrung mit tieferem Wasser gemacht.
Im Idealfall lernen Kinder bereits vor dem Schwimmunterricht Schwimmbäder und Badeseen mit ihren Eltern kennen oder besuchen einen Schwimmkurs. Doch in sogenannten „Problembezirken“ wie Neukölln ist der Fall selten ideal.
Bevor die Lehrerinnen und Lehrer überhaupt an Schwimmübungen denken können, müssen sie den Kindern zunächst die Panik nehmen und an die neue Erfahrung gewöhnen. Die ohnehin meist knapp bemessenen Schwimmstunden reichen dann oft nicht aus, um sich am Ende ein Seepferdchen an Badeanzug oder –hose heften zu dürfen.
Gefährliche Entwicklung
Und selbst ein Seepferdchen-Absolvent ist noch ein Stück davon entfernt, ein sicherer Schwimmer zu sein. Gefährlich wird es auch, wenn Kinder, die offenes Wasser nicht kennengelernt haben, die Gefahr falsch einschätzen. Jedes Jahr ertrinken in Deutschland rund 400 Menschen.
Die schlechte Schwimmfähigkeit von Kindern lässt befürchten, dass diese Zahl in Zukunft noch ansteigen könnte. Nach Angaben der DLRG ertranken 2016 537 Menschen – 49 mehr als 2015.
Ganz abgesehen davon bleiben Nichtschwimmer immer ausgeschlossen, wenn sich Freunde am Badesee treffen, Geburtstage in Spaßbädern gefeiert werden oder später die eigenen Kinder von ihren Eltern schwimmen lernen möchten. Für die, die zum Kreis der Könner zählen, ist Schwimmen eine der beliebtesten Sportarten.
Ganz nebenbei hält Schwimmen auch fit und ist ein gelenkschonender Sport, den die Schüler sogar noch betreiben können, wenn sie mal alt und grau sind. Lernen kann man Schwimmen zum Glück in jedem Alter, ideal ist es aber, bereits als Kind schwimmen zu lernen. Vieles, worüber Erwachsene lange nachdenken, passiert in diesem Alter noch intuitiv und unverkrampft.
Heute kommen auf Schulen und die Lehrerkollegien viele neue Herausforderungen zu – wir denken da an die Umwandlung zu Gesamtschulen, Ganztagsschulen oder die Einführung des inklusiven Unterrichts. Hier wird natürlich viel Engagement und Arbeitszeit gebündelt und vielleicht muss anderes eine Zeit lang etwas zurückstehen.
Gerade, wenn die Umsetzung wie im Fall des Schwimmunterrichts vielerorts nicht ganz einfach ist.
Dennoch: Die vielen positiven Aspekte, die Schwimmen für das gesamte Leben Ihrer Schüler bereithält, sind es allemal wert, sich dafür einzusetzen, dass dieser Teil des Sportunterrichts nicht einfach einschläft!
Häufig gestellte Fragen
Ab wann findet Schwimmunterricht in der Schule statt?
In der Regel wird Schwimmunterricht an Grundschulen ab der 3. Klasse angeboten.
Sind Schülerinnen und Schüler verpflichtet am Schwimmunterricht teilzunehmen?
Die Teilnahme am Schwimmunterricht ist als Teil des regulären Sportunterrichts für Schülerinnen und Schüler verpflichtend.
Wer darf Schwimmunterricht geben?
Lehrerinnen und Lehrer, die Schwimmunterricht geben, müssen ihre Rettungsfähigkeit nachweisen. In der Regel geschieht dies durch das Deutsche Rettungsschwimmerabzeichen in Bronze, Silber oder Gold. In vielen Bundesländern entspricht das Rettungsschwimmerabzeichen in Bronze den Mindestanforderungen, teilweise wird aber auch Silber verlangt.
Warum ist Schwimmunterricht in der Schule wichtig?
Ertrinken ist die zweithäufigste Todesursache bei Kindern im Alter zwischen fünf und 14 Jahren. Die Erlangung der Schwimmfähigkeit ist die wichtigste Präventionsmaßnahme gegen diese Unfälle. Der Schwimmunterricht an Schulen erreicht – wenn er angeboten werden kann – alle Kinder und kann die Zahl der Nichtschwimmer reduzieren.
Quellen
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