Taktile Wahrnehmung fördern
Regentropfen, die uns ins Gesicht prasseln, ein Hund, der sich liebevoll an unsere Beine schmiegt oder eisiger Winterwind, der die Nasenspitze frieren lässt: All diese Empfindungen gehören in den Bereich der taktilen Wahrnehmung. Durch kleine Impulse im pädagogischen Alltag kann das taktile Empfinden trainiert werden und hierdurch auch das Körperbewusstsein und die Orientierung am eigenen Körper verbessert werden.
4 Aktivitäten zum Einstieg
Massagegeschichte „Die Amsel und der Regenwurm“
Eine Massagegeschichte eignet sich hervorragend, um unterschiedlich intensive Berührungen auszuprobieren und zu erfahren.
Einrollen
Diese Übung kann entweder durch die pädagogische Fachkraft durchgeführt werden oder paarweise durch die Kinder.
Ähnlich wie bei Massagegeschichten geht es darum, taktile Reize am Körper zu erfahren. Benötigt wird hierzu eine Decke (bzw. mehrere Exemplare, wenn die Kinder paarweise aufgeteilt werden). Das Kind hält nun eine Seite der Decke fest und wird mit dem Rest des Stoffes eingewickelt. Während der Übung liegt der Fokus natürlich darauf, das Wickeln und den Stoff wahrzunehmen. Auch die Kommunikation zwischen der wickelnden Person und der eingewickelten Person ist ein Faktor für die Gesamterfahrung.
Sinneswanne
Gefüllt mit Naturmaterial (Kastanien, Laub, Baumrinde und mehr), mit Wasserperlen oder mit Sand sind Sinneswannen haptisch sowie taktil ein Erlebnis für Kinder bis in das Grundschulalter hinein. In den Wannen können die Materialien und ihre taktile Wirkung erforscht werden.
Bestückt mit kleinen Figuren oder geometrischen Formen entsteht auch schnell ein sinnesförderndes Suchspiel.
Klangschale
Mit Verwendung der Klangschale werden nicht nur auditive Sinnesreize erzeugt, sondern auch taktile Impulse sind möglich, wenn die Schwingungen der Klangschale auf die Haut übertragen werden.
Diese Übung eignet sich mit einer entsprechend kleinen Klangschale auch für den Morgenkreis.
Die Klangschale wird dabei angeschlagen und von einem Kind zum nächsten weitergegeben – so erfährt jedes Kind die Schwingungen und die Wirkung des Metalls auf der Haut.
Weitere Aktivitäten:
- Unterschiedliche Stoffe oder Materialien auf der Haut reiben.
- Sich auf dem Boden rollen (mit unterschiedlichen Untergründen).
- Mit Haustieren oder Tieren im Streichelzoo interagieren.
- Das Spielen mit einer Fühlbox
Bei allen geplanten Aktivitäten oder Spielen sollten Sie immer darauf achten, dass die taktile Wahrnehmung nicht bei allen Kindern gleich ausgeprägt ist. Ist ein Barfußpfad also für ein Kind angenehm, kann genau diese Aktivität für ein anderes Kind unangenehm sein. Die Kinder können also ermuntert werden, Spiele und Aktivitäten auszuprobieren, sie sollten allerdings nicht zur Teilnahme überredet werden.
4 taktile Spiele
Barfußpfad
Das Laufen ohne Schuhe oder Strümpfe ermöglicht auch den Füßen sensorische Erfahrungen. Ist der Untergrund warm oder kalt, rau oder glatt, weich oder hart? Der Barfußpfad eignet sich hier drinnen oder draußen als abwechslungsreicher Bewegungs- und Sinnesimpuls. Draußen kann der Barfußpfad ganz klassisch mit Rindenmulch, Sand oder Moos gefüllt werden.
Im Innenbereich kann aus taktilen Scheiben ein abwechslungsreicher Parcours gebaut werden. Als spielerische Variante werden die Kinder in 2er-Teams aufgeteilt. Einem Kind werden die Augen verbunden und es wird von seinem Teammitglied über den Parcours geführt. Dabei beschreibt das erste Kind, was es unter seinen Füßen spürt.
Klatschspiel
Bei diesem einfachen Klatschspiel stehen sich 2 Kinder gegenüber und sprechen in gewünschtem Tempo den untenstehenden Text. Dabei werden unterschiedliche Klatschübungen ausgeführt.
Rumpel, rumpel, tick, tick
Rumpel, rumpel, tack, tack
Rumpel, tick, rumple, tack
Rumpel, rumple, tick, tack
Rumpel: mit den Handflächen beider Hände klatschen
Tick: Fauststoß mit beiden Fäusten
Tack: mit den Handrücken beider Hände klatschen
Rückenmalen
Für diese Spiel werden die Kinder wieder paarweise aufgeteilt. Die Kinder sitzen hierbei hintereinander und das Kind, welches hinten sitzt, malt dem vorderen Kind mit dem Finger etwas auf den Rücken.
Die Motive können entweder frei gewählt werden, oder sie werden ausgedruckt und mit ablösbarem Klebeband an der Kleidung befestigt.
Ziel ist es nun, dass das vordere Kind durch Erspüren der Berührungen auf dem eigenen Rücken das Motiv des zeichnenden Kindes erkennt.
Das Hot-Dog-Spiel
Bei diesem Spiel handelt es sich um eine Abwandlung des klassischen Nachlaufspiels. Der Fänger oder die Fängerin verwandelt die Kinder durch das Fangen in eine Hot-Dog-Wurst. Die Läuferinnen und Läufer laufen vor dem Fänger oder der Fängerin davon und versuchen, nicht gefangen zu werden.
Spielregeln:
Zu Beginn wird ein Fänger oder eine Fängerin festgelegt. Alle anderen Kinder laufen nun schnell durcheinander. Wird ein Kind gefangen, legt es sich mit eng am Körper anliegenden Armen auf den Boden und darf sich nicht mehr bewegen. Dabei ruft es "Ich brauche ein Brötchen!" Die gefangenen Kinder können befreit werden, indem sich 2 andere Kinder links und rechts neben das Kind legen (als Hot-Dog-Brötchen). Dann stehen alle 3 Kinder schnell wieder auf und spielen weiter.
Fragen und Antworten zur taktilen Wahrnehmung
Was ist die taktile Wahrnehmung?
Die Haut als größtes Sinnesorgan des Körpers sorgt dafür, dass jeder Reiz, der auf die Hautoberfläche trifft, per Rezeptoren und Nervenbahnen zum Gehirn transportiert wird. Die taktile Wahrnehmung gliedert sich in 4 Bereiche: Berührung, Erkundung, Temperatur, Schmerz.
Was ist der Unterschied zwischen taktiler Wahrnehmung und haptischer Wahrnehmung?
Berühren wir etwas aktiv, ist diese Erfahrung haptisch. Werden wir berührt, ist diese Sinneserfahrung taktil.
Ab welchem Alter kann die taktile Wahrnehmung gefördert werden?
Bereits im Mutterleib machen Kinder erste taktile Erfahrungen. Da für das taktile Empfinden keine motorischen Fähigkeiten notwendig sind, kann die taktile Wahrnehmung altersgerecht bereits bei Säuglingen gefördert werden.
Wie kann die taktile Wahrnehmung am besten gefördert werden?
Tastspiele mit verbundenen Augen, Massagegeschichten, Fingerspiele, der spielerische Umgang mit Naturmaterial oder auch das gemeinsame Kochen – all diese Aktivitäten und Spiele eignen sich zur Förderung des taktilen Sinnessystems.
Taktiles Empfinden: mehr als nur Sinnesreize
Mit durchschnittlichen 20 % Anteil an unserem Körpergewicht gilt die Haut nicht umsonst als größtes Sinnesorgan des Menschen. Haptische und taktile Erfahrungen werden konstant aktiv und passiv gemacht. Das Erfassen der Raumtemperatur ist nur ein Beispiel der passiven, also taktilen, Wahrnehmung.
Das Einordnen und Verarbeiten dieser Sinnesimpulse sorgt für einen immer größer werdenden Schatz an unterschiedlichen Erfahrungen, die Kindern dabei helfen, die Welt um sich herum besser zu verstehen. Außerdem sorgt das korrekte Verorten der taktilen Reize (der Regentropfen auf der Nasenspitze - nass, im Gesicht, auf der Nase) für ein optimal entwickeltes Körperschema. Die Kenntnis, welcher Bereich des Körpers wo liegt und wie empfindlich oder unempfindlich Fußsohlen oder Ohrläppchen sind stehen in direktem Zusammenhang zu einem sicheren Umgang mit dem eigenen Körper und der Entwicklung des Selbstbewusstseins.
Auch die motorische Entwicklung profitiert von einer gut entwickelten taktilen Wahrnehmung. Kennt das Kind unterschiedliche taktile Impulse, Materialien und Oberflächen, kann es seine Bewegungen anpassen.
Taktile Wahrnehmungsstörungen
Nicht jeder Mensch empfindet Berührungen oder taktile Reize gleich intensiv. Kinder entwickeln sich individuell und reagieren ebenso individuell auf unterschiedliche Materialien, mit denen sie in Kontakt kommen.
Eine taktile Wahrnehmungsstörung steht oft in engem Zusammenhang mit anderen Sinnen, die ebenfalls Förderpotenzial aufweisen. Liegt eine taktile Unterempfindlichkeit oder eine taktile Überempfindlichkeit vor, sind in vielen Fällen auch der vestibuläre Sinn oder der kinästhetische Sinn betroffen.
- Taktile Unterempfindlichkeit: Taktile Reize werden im Gehirn nicht vollständig verarbeitet, hierdurch oft auch eine verzögerte Schmerzwahrnehmung.
- Taktile Überempfindlichkeit: Abwehrende (defensive) Haltung gegenüber taktilen Eindrücken und Sinnesreizen. Berührungen werden vermieden.
- Taktilität: Passive Sinneserfahrung von Berührungen und Materialien auf der Haut.
- Haptik: Aktives Berühren und Erfahren.
- Vestibulärer Sinn: Gleichgewichtssinn, eng mit dem taktilen Sinn und der Kinästhesie verbunden, da gemeinsam die Bewegung und Lage im Raum ermöglicht wird.
- Kinästhetischer Sinn (Kinästhesie): Bewegungsempfindung, den Körper und seine Bewegungen wahrnehmen.
Dieser Abschnitt möchte einen kurzen Einblick in das Thema „Taktile Wahrnehmungsstörungen“ geben. Er kann keine ärztliche Untersuchung und die Diagnose von auf das Thema spezialisierten Experten ersetzen!
Quellen:
https://www.ot-mom-learning-activities.com/tactile-perception.htmlhttps://www.verlag-modernes-lernen.de/shop/pdf/1154/leseprobe1/1154.pdf
Kiese-Himmel, C., Höch, J., Liebeck, H. (1998)Psychologische Messung taktil-kinästhetischer Wahrnehmung im frühen Kindesalter.
https://doi.org/10.23668/psycharchives.10461
https://www.thieme.de/de/presse/kinder-wahrnehmungsst%C3%B6rung-32690.htm
https://www.heilpaedagogik-info.de/entwicklungsfoerderung-2/1604-vestibulaere-taktile-unterempfindlichkeit.html
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